Goliarda Sapienza – Tage in Rebibbia

„Wenn Du rauskommst, heißen sie dich vielleicht mit einem Blumenstrauß willkommen und schließen dich in die Arme, aber sie werden dich nie mehr so ansehen wie zuvor.“
Diese Weisheit erfährt Goliarda Sapienza von ihren Zellengenossin Ornella. Seit einigen Tagen ist sie im römischen Frauengefängnis Rebibbia; aus Geldnot hat sie eine Bekannte bestohlen und wurde zu einer Haftstrafe verurteilt.
Von der ersten Minute an ist sie in Aufruhr, hin- und hergeworfen zwischen Angst, Verwunderung und Erschöpfung. Zurückgeworfen auf ihre nackte Körperlichkeit und ihr – ja – blankes Wesen, findet sie sich buchstäblich hineingeworfen in eine Gruppe von Frauen, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten: aller Nationalitäten, jeden Alters und verschiedener Herkunft. Wut, Neid und Erotik sind allgegenwärtig, aber auch Langeweile, Hoffnungslosigkeit und Übermut. Der streng getaktete Tagesablauf und die aufgezwungene Untätigkeit geben Goliarda das Gefühl, wieder Kind zu sein. Die Erfahrung,  wie alle andere behandelt zu werden, vermittelt ihr zudem die Illusion, Klassenunterschiede seien im Gefängnis aufgehoben. Wie falsch sie damit liegt, wird klar, als sie merkt, wie fein die Sensoren ihrer Mithäftlinge für Bildung, Sprache und Selbstwertgefühl sind, und wie heftig sie dafür gehasst und geliebt wird.
Goliarda Sapienza vermittelt mit diesen Aufzeichnungen ein extrem beeindruckendes Bild der italienischen Gesellschaft der 80er Jahre, gleichzeitig eine aufwühlende Geschichte vom Menschsein: vom Alleinsein und von Anpassung, von Verletzlichkeit und Trost, von Geborgenheit und Nähe.