Anne Weber – Bannmeilen

»Noch einmal gehen, wo niemand geht.« ist einer der vielen Sätze, die aufhorchen lassen, wenn die Pariser Ich-Erzählerin in Anne Webers neuem Roman Bannmeilen mit ihrem algerisch-französischen Freund und Filmemacher Thierry »Streifzüge« durch die Banlieues unternimmt. Denn dieses ›niemand‹ ist trügerisch. Es verschweigt ›jemanden‹, all jene Menschen nämlich, die auf diesen Raum angewiesen sind: Rachid etwa, der in der Rue Roland Vachette sein Café betreibt und für sein Zeitschriftenprojekt spart, das zwölfjährige Mädchen, das unter einer Autobahnbrücke Unterschlupf vor dem Regen sucht, die bis in den späten Nachmittag ausharrenden Arbeitslosen vor den Baumärkten und auch die Besucher des muslimischen Friedhofs von Bobigny, die im Lärm der angrenzenden Baustellen und Raupenbagger ihrer Toten gedenken müssen.

Immer wieder eröffnen die Erkundungen, Begegnungen und topographischen Reflektionen der Protagonistin neue (Denk-)Räume, stoßen identitätspolitische Diskurse an, stellen Perspektiven zur Diskussion. Freigelegt werden dabei vielfach auch historische Schichten: angefangen bei den Spuren des Holocausts und den jüdischen Deportationen, die hier in den 40er Jahren durchgeführt wurden, über die Lebensgeschichten von längst aus dem kollektiven Gedächtnis gestrichenen französischen Olympiasiegern bis hin zu den ökonomischen Opfern der heutigen neoliberalen Politik Macrons.

Chris