Samantha Harvey – Umlaufbahnen

Umlaufbahnen ist hochliterarisch und tief poetisch. Und trotzdem kann man sich diesen Roman am besten wie ein Kinderbuch für Erwachsene vorstellen. Denn Samantha Harvey gelingt es, einen wieder in dieses allumfassende Staunen zu versetzen, das man zuletzt als Kind erlebt hat. Erscheint einem anfangs das Leben in Schwerelosigkeit auf der kleinen Raumstation im Weltall als absolut unwahrscheinlich, kommen einem später die Naturgesetze auf unserer Welt und die Gesetze, die wir uns selbst gegeben haben, noch viel fantastischer vor.

Aber worum geht’s? Um den Alltag im All. Um sechs Astronaut:innen aus vier Nationen. Auf engstem Raum leben sie auf einer Raumstation zusammen, die sechzehnmal am Tag die Erde umkreist. Das sind sechzehn Sonnenaufgänge und sechzehn Untergänge. Das ist das Ringen darum, den Tag- und Nachtrhythmus im All aufrechtzuerhalten. Das ist die Schwierigkeit, zu schlafen, zu essen, zu vergessen, wie sich ein anderer Körper anfühlt.

Aber dieses Buch ist keine Liebesgeschichte, kein Actionthriller. Es ist kaum eine Geschichte. Doch dieses Buch zeigt, was ein Roman kann und nur ein Roman, was kein Film kann und kein Theater. Aus der alltäglichen Sprache heraus einen Zustand der Schwerelosigkeit erzeugen. So leicht man dieses kleine Büchlein übersehen kann, so schwer kann man es nach der Lektüre wieder vergessen. Ein schwereloses Schwergewicht.

meint Malte