Roland Schimmelpfennig – Sie wartet, aber sie weiß nicht, auf wen

Der Dramatiker Roland Schimmelpfennig nimmt eine Idee auf, die Arthur Schnitzler vor hundert Jahren hatte, und schreibt eine moderne Version davon. Reigen,1920 aufgeführt in Berlin, hatte damals das Zeug für einen handfesten Skandal, hielt man doch die Idee, dass es bei allen Liebesschwüren letztlich nur um Sex geht, für unbedingt verwerflich.
Sie wartet, aber sie weiß nicht, auf wen nimmt die Struktur des Reigens auf, in dem eine der Hauptfiguren eines Kapitels in dem folgenden wieder vorkommt und die Geschichte weiterträgt. Auch bei Schimmelpfennig geht es viel um Sex, zwischen Fremden und Ehepaaren, Transmenschen und Soldaten, mit Prostituierten oder sehr jungen Frauen. Die Begegnungen sind selten innig, oft flüchtig, gewalttätig oder routiniert.
Und doch liest man fast atemlos Szene um Szene, sucht geradezu nach einem Funken Gefühl, Sehnsucht oder gar Liebe. Und neben der ganzen Härte, die das Leben für die Charaktere bereithält, mit der sie auch einander begegnen, schimmert immer wieder die Erinnerung an eine Zuneigung oder die Hoffnung auf Zugehörigkeit durch. Jede Figur, die man mit der Treffsicherheit einer gut geschriebenen Kurzgeschichte sofort zu kennen meint, möchte man retten oder auch zu Gunsten der anderen verdammen.
Was für ein Trip!