Lucy Fricke – Die Diplomatin

»Ich stehe da rum und bin nur Deutschland.«

Fred ist über 40, in zweiter Ehe verheiratet und deutsche Botschafterin in Uruguay. Sie ist allein in Montevideo, denn ihr Mann ist aus gesundheitlichen Gründen bei seinen Kindern in Deutschland geblieben. Valeria ist ihre Haushälterin und Carlos ihr Chauffeur. Sie erfüllt die Frauenquote des Auswärtigen Amtes, und nichts könnte ihren Alltag im liberalen Uruguay trüben. Dennoch passiert ein Unglück, das man ihrem Mangel an Tatkraft zuschreibt, weshalb sie von dem Posten abgezogen und als Botschafterin nach Istanbul versetzt wird. Und dort beginnt die eigentliche Geschichte dieses unterhaltsamen, ebenso ereignisreichen wie intelligenten Romans.

Wir lernen: Geduld ist die oberste Tugend der Diplomatie. Idealismus und Wunsch nach Veränderung werden belächelt, Routine und Neutralität sind gefragt. Fred erfüllt das alles mit Fatalismus und einem amerikanisch-flapsigen Sinn für Humor. Doch sind es die kleinen Sätze, die einen aufhorchen lassen, dieser Frauenfigur eine Aura von Verletzlichkeit und Melancholie verleihen und sie zu einer starken Identifikationsfigur machen. Bedrückend die Momente, die man mit einer müden, unbeteiligten Fred auf dem offiziellen Botschafts-Empfang anlässlich der Deutschen Wiedervereinigung verbringt, sie ringen sieht um Dinge, die sie für wichtig hält, ihr in Situationen folgt, in denen sie als Mensch und nicht als Vertreterin Deutschlands Entscheidungen treffen muss.
Ein politischer Roman mit einer zeitgenössischen Handlung und einer ambivalenten Frauenfigur, die Schwäche in Stärke verwandeln kann. Beste, schlaueste Unterhaltung.
Katharina