Fatma Aydemir – Dschinns

Nach ihrem fulminanten Debüt Ellbogen waren meine Erwartungen an den zweiten Roman von Fatma Aydemir doch Recht hoch. Nun ist also Dschinns bei Hanser erschienen und die Resonanz ist (zurecht) gewaltig.

„Dschinns“ ist die Geschichte einer türkischen Familie Ende der 90er Jahre in Deutschland. Hüseyin, der 1971 als Gastarbeiter in die Bundesrepublik kam, erfüllt sich den lang gehegten Traum einer Eigentumswohnung in Istanbul. Endlich hat er ein „Zuhause“. Leider jedoch erliegt er am Tag des Einzugs einem Herzinfarkt und stirbt. Und so beginnt das Buch. Die Familie reist an, um Hüseyin zu beerdigen und zu entscheiden, was mit der Eigentumswohnung geschehen soll.

Jedes Kapitel ist aus der Perspektive eines der Familienmitglieder erzählt. Eigentlich handelt es sich um eine fast schon stereotype Gastarbeiter-Familie: der Vater arbeitet viel (sich quasi zu Tode) und ist für die Familie kaum greifbar, die Mutter weigert sich nach Jahrzehnten immer noch, die fremde Sprache zu lernen und verlässt das Haus nur zum einkaufen, und die vier Kinder möchten ihre Träume verwirklichen, sind aber zwischen den Stühlen der unterschiedlichen Kulturen, der Feindseligkeit, die ihnen entgegenschlägt, und der Erwartungshaltung der Eltern gefangen. Jedes Familienmitglied trägt ein Geheimnis, über das nie geredet wurde/werden durfte, und dessen Last die jeweiligen Charaktere beinahe erdrückt. Alle sind gefangen in ihrer Einsamkeit, den Erwartungshaltungen und Schuldgefühlen und dem dringenden Verlangen, das eigene Leben zu gestalten, „frei“ zu sein und Frieden zu finden.

Aydemir gelingt es, allen Figuren ihren eigenen Duktus zu geben und sie so dreidimensional zu zeichnen, dass man meint, man kenne sie persönlich. Dadurch bekommt diese deutsche Immigrantenfamilie eine Komplexität und Tiefe, die einen fast umhaut.