Ab in den Urlaub
Hier kommen Katharinas Sommerempfehlungen:
Amor Towles, Eve
aus dem Amerikanischen von Susanne Höbel
gebunden, 222 Seiten, 24 €
Carl Hanser Verlag
im Original Teil einer Anthologie mit dem Titel Table for Two.
Eve wäre schön zu nennen, hätte sie nicht eine auffällige Narbe im Gesicht. Sie ist fremd in diesem Hollywood der späten 1920er Jahre, taucht plötzlich in den Hotelbars und auf einschlägigen Partys auf.
Ganz offensichtlich gewöhnt an die High Society, fällt sie doch auf durch ungewohnt schlagfertigen Smalltalk und unkonventionelles Auftreten (einmal bei einem zukünftigen Arbeitgeber mit einer Angel in der Hand, die sie zuvor einem kleinen Jungen weggenommen hat). Mit ihrer unbefangenen und selbstsicheren Art rettet sie eines Abends die berühmte Filmschauspielerin Olivia de Havilland vor ihrem machistischen Begleiter und wird daraufhin von deren Studiobossen als ihre offizielle Aufpasserin angestellt.
Die folgende Story reicht (fast) an Chandlers’ berühmte Los Angeles-Kriminalgeschichten heran: Lakonisch, etwas schäbig und vor der Kulisse einer dunklen und armen Stadt, in der die Traumfabrik Hollywood ab und an hell aufleuchtet. NICE.
Marlowe Granados, Happy Hour
aus dem Amerikanischen von Stefanie Ochel
gebunden, 300 Seiten, 24 €
Carl Hanser Verlag
Zwei junge Frauen beschließen, die Sommermonate im heißen New York zu verbringen. Der Plan ist es, für wenig Geld irgendwo unterzukommen, das nötige Kleingeld mit Kleiderverkauf auf dem Flohmarkt zu verdienen und ansonsten: Auf ihr gutes Aussehen zu setzen und Sich-aushalten-zu-lassen.
Ihr Plan geht zunächst auf: Das Nachtleben zwischen Brooklyn und der Upper Eastside heißt sie willkommen. Sie in die Nacht zu begleiten, ihrem eingespielten Miteinander zu vertrauen, ihrem Instinkt zu folgen und Zeuge ihrer Überlegenheit über die meisten ihrer Gönner zu werden, ist das reinste Vergnügen.
Als das Geld knapper wird, lassen sie sich auf zunehmend ausbeuterische Jobs ein und müssen sich fragen, wie weit sie für ihr Vergnügen gehen würden.
Ein irgendwie unerhörte Geschichte: schwebend, fragwürdig, intelligent.
Rosemary Tonks, Der Köder
aus dem Englischen von Eva Bonné
gebunden, 234 Seiten, 25 €
März Verlag
Der Klappentext verspricht uns ein Buch wie „ein perfekter Aperitif“, das „sorglos macht und sehr viel glücklicher“.
Glücklicher kann Min, die Hauptfigur dieses kleinen, sehr eleganten Buches eindeutig noch werden – falls sie es überhaupt möchte.
Bisher hat sie sich ganz gut eingerichtet in ihrer Ehe mit einem wohlhabenden, aber langweiligen Mann, ihrem Job als Tontechnikerin beim BBC und ihrer Hand voll Liebhaber, die alle ihre Vor-und Nachteile haben.
Genüsslich lässt sie uns teilhaben an ihren Beobachtungen der Londoner Upper Class, an dem Besuchen ihrer Bewunderer, ihren Gesprächen voller Scharfsinn und Wittiness – diesem bösartigen, intelligenten Witz also, mit dem man in der englischen Gesellschaft echte Gespräche vermeidet, sich aber durchaus auf Augenhöhe einander annähert.
Ernsthafte Leser:innen mögen sich fragen, wo das alles hinführen soll. Und damit sind wir wieder beim Aperitif: Dieses Buch ist sozusagen der Auftakt für einen geöffneten Geist, ready for deeptalk, aber bitte nicht zu aussichtslos!